I.
Das Tor zur Hölle
Dies
ist das berüchtigte Tor des Lagers Birkenau
(Auschwitz II).
......................
II.
Die Todesrampe
Das
gleiche Tor von innen. Jetzt sieht man den
gesamten Schienenkomplex im Innern des Lagers,
einschließlich der „Todesrampe”, des Zwischenraums
zwischen den Schienen, der als Ausstieg aus den
Wagen und zur Selektion derjenigen diente, die für
die Gaskammern bestimmt waren.
Dieser Komplex
wurde erst Anfang 1944 gebaut, als sich
herausstellte, daß die Deportation der Juden aus
Ungarn, einschließlich aus Nordsiebenbürgen und
Transkarpatien, die beide damals Ungarn
angegliedert waren, alle bis dahin bekannten
Zahlen überschreiten würde. Aus diesem Grund war
Rudolf Höss, der Kommandant des Lagers Birkenau,
zweimal in Budapest. Dort ist es ihm mit Eichmann
(dem Leiter der Abteilung in der Gestapozentrale,
die für die Endlösung der Judenfrage zuständig
war) --der sein Hauptquartier vorübergehend in die
ungarische Hauptstadt verlegt hatte-- in gutem
Einvernehmen mit den Horthy-Behörden gelungen, die
Kapazitäten der Vergasung und Verbrennung in den
Krematorien in Birkenau mit den vorgesehenen
Deportationen „abzustimmen”.
III.
Es wird die Ankunft eines neuen Transports
erwartet
Hier
sehen Sie die „Todesrampe", so wie sie 1944
aussah. Im Frühjahr und Sommer jenes Jahres haben
alle 147 Züge, die in mehr als 6700 verriegelten
und vergitterten Wagen 434351 Mütter und Kinder,
Frauen und Männer --alles Juden aus Ungarn und
Siebenbürgen-- hier angehalten. HIER, auf dieser
Rampe, geschah die GROSSE SELEKTION. Aus jedem
Transport (der durchschnittlich aus 3000 Menschen
bestand) wurden wenigstens 2000 in den Tod
geschickt. Von hier, von dieser Rampe, die Sie vor
sich haben und die so ruhig und friedlich scheint,
GINGEN 2000 Menschen, Ihre Nächsten, liebe
Freunde, DIREKT ZUR GASKAMMER.
Die
anderen tausend wurden vorübergehend für
Sklavenarbeit ausgewählt.
Im
Bild sehen Sie zwei Züge mit leeren Wagen. Aus
ihnen ist vor 5-6 Stunden der vorherige Transport
ausgestiegen. Im Vordergrund inspizieren kleine
Gruppen von SS-Leuten die Rampe, um zu sehen, ob
alles vorbereitet ist für den „Empfang" des
nächsten Transports, der in ein paar Minuten
eintreffen soll. Irgendwo am Ende des Bahnsteigs
sieht man einige Häftlinge aus dem sogenannten
Kanada-Kommando, die mit dem Sortieren des
gesamten (aus den Wagen geholten) Gepäcks und
seines Transports in die nahegelegenen Lagerhäuser
fast fertig sind.
IV.
Ausstieg aus den Wagen
[IV-1]
Der
Zug hat angehalten. Die verriegelten Türen der
Wagen sind geöffnet worden. Jedes Mal, ohne
Ausnahme, wurden vor jeder Tür, immer und immer
wieder die beiden selben Befehle gerufen:
Der
erste: Alle heraus! Die Worte haben uns gefreut,
wir haben alle erleichtert aufgeatmet.
Der
zweite: Alles dort lassen! (Das gesamte Gepäck
bleibt im Wagen.) Dieser zweite Befehl hat uns
verwirrt:
Wieso
ALLES, das ganze Gepäck … ? … auch die warmen
Wintersachen, auch die Bettwäsche, auch die
Windeln für die Kinder, und die Lebensmittelreste,
und die Familienfotos, und die Bücher, und die
letzte Flasche mit Wasser, und die
Hausapotheke …?
Doch für Fragen
war keine Zeit, geschweige denn für Antworten.
Das Aussteigen
hatte begonnen.
[IV-2]
Mit
einem Blick kann man feststellen, daß die Mehrzahl
derjenigen, die aus den Wagen aussteigen, Frauen
und Kinder sind.
Die Erklärung: Ab
1941 wurden die erwachsenen Männer zwischen 21 und
45 Jahren (sogar noch ältere) in Abteilungen für
Zwangsarbeit zusammengezogen, die fast alle in die
Ukraine „geschickt" wurden, um die Kampfgebiete
hinter der Front von Minen zu säubern. So kam es,
daß die ganze Sorge und Verantwortung für das
Leben jeder Familie im Ghetto und während der
Deportation bis zum Eintreten in die Gaskammer auf
den Schultern unserer „sanften und heiligen”
Mütter lag.
[IV-3]
Obwohl
der Befehl „Alles dort lassen” Dutzende Male
wiederholt wurde, sind einige, wie man sieht, doch
mit einem Koffer oder einer Tasche ausgestiegen.
Die SS-Leute taten, als sähen sie es nicht. Für
sie war es wichtig, daß alles so schnell wie
möglich ging, und ganz besonders, daß Panik,
Schreien oder Weinen, Wortwechsel oder gewaltsame
Auseinandersetzungen vermieden wurden.
[IV-4]
Gesamtansicht
der „Todesrampe” im Augenblick, als der Ausstieg
eines ganzen Transports aus dem Zug beendet ist.
Am Horizont sind (rechts und links von den
Bahngleisen) zwei Gebäude mit hohem Schornstein zu
sehen. Das sind die Krematorien II und III.
[IV-5]
Am
9. Juni 1944 befand ich mich mit meiner Familie
vor einem der leeren Eisenbahnwagen, genau so
einem wie auf dem Foto. Aneinandergedrängt,
aufgeregt und begierig zu erfahren: Wo sind wir?
Was wollen sie mit uns machen? Welches Schicksal
erwartet uns? Wir waren erstarrt von der Spannung,
mit der wir die ersten normalen, natürlichen Worte
hörten, die an uns gerichtet wurden, seitdem wir
verhaftet worden waren, um ins Ghetto gebracht zu
werden. Der an die Neuankömmlinge gerichtete
Monolog hörte sich so an:
Meine
Damen und Herren,
wir
wissen, daß Sie sehr müde sind, daß Sie eine
lange und qualvolle Reise hatten. Weder Nahrung
noch Wasser haben ausgereicht. Das tut uns leid,
ist aber nicht unsere Schuld. Jetzt ist das aber
vorbei. Sie werden in ein Lager gebracht. Die
Arbeitsfähigen werden arbeiten. Sie werden alle
unter normalen Bedingungen leben.
Es
tut uns leid, daß wir Ihnen auch eine
schlechte Nachricht geben müssen. Bis zum
Lager, in dem Sie leben und arbeiten werden,
sind es noch etwa 3 Kilometer und ausgerechnet
heute … haben wir nicht genügend Fahrzeuge.
Deswegen bitten wir Sie:
Alle
Frauen, alle Mütter mit Kindern bis zu 14
Jahren, alle Alten, Kranken und Invaliden
treten nach links.
Die
Arbeitsfähigen, also die, die zu Fuß gehen
können, bleiben stehen, rechts von der
Rampe.
Nach der
unmenschlichen Enge in den Wagen, nach dem Hunger
und Durst, die uns auf dem Weg vom Ghetto bis nach
Birkenau gequält hatten, nach der Furcht und
Verzweiflung, die uns alle und besonders unsere
Mütter ergriffen hatte, hat der überraschend
„verständnisvolle und wohlwollende Monolog” uns
ein bißchen Hoffnung schöpfen lassen.
So kam es, daß das
erste furchtbare Auseinanderreißen der Familien,
die ewige Trennung voneinander in weniger als
einer Stunde, in einigen zehn Minuten geschah.
.
V.
Die Trennung auf ewig
[V-1]
Sehr
schnell haben sich alle Mütter und Kinder auf der
linken Seite der Rampe eingefunden.
Betrachten
Sie die kleinen Kinder links im Bild. Sie werden
feststellen, daß sie einem voller Unschuld direkt
in die Augen schauen und eine solche
Schuldlosigkeit ausstrahlen, daß man - wenn man
weiß, daß nur ein paar Minuten sie vom Gang in den
Tod trennen - sich nur erschüttert fragen kann:
Warum?
Wer hat über einer Million solcher Kinder das
Recht auf Leben nehmen können, nur weil sie als
Juden geboren wurden. Was ist zu tun? Was muß, was
kann man tun, damit solch himmelschreiende
Barbarei sich NIRDENGWO UND NIE MEHR wiederholt?
.
[V-2]
Vor
den Wagen ist hier eine andere Gruppe von Müttern
und Kindern zu sehen, die darauf warten, zu den
Lastwagen zu gehen, die sie --so wie ihnen gesagt
wurde-- in das Lager bringen sollen, in dem sie
das Kriegsende abwarten.
Die Momentaufnahme
kann bei weitem nicht die Dramatik wiedergeben,
die hier festgehalten wird. Denken Sie bitte
daran, daß die auf dem Foto Abgebildeten überzeugt
sind, noch vor Anbruch der Nacht wieder mit ihren
Familien vereint zu sein.
Ich gestehe, daß
auch heute, nach 60 Jahren, die tiefste Wunde
--die nicht vernarbt ist und auch nie vernarben
wird-- die ist, die durch das Auseinanderreißen
der Familie beim Aussteigen an der „Todesrampe”
verursachte wurde.
Wir haben uns
getrennt, ohne daß ich meine Mutter geküßt hätte …
Ohne meine Zwillingsbrüder zu umarmen oder den
Rest der Familie, unseren jüngsten Bruder,
Valentin. … Wer hätte denken können, daß alles,
was die SS-Männer uns gesagt haben, eine Lüge von
unvorstellbarem Zynismus war, daß ich, der ich
meiner Mutter hinterhersah, wie sie wegging und
Valentin an der Hand hielt und den Zwillingen
ständig zurief, sich nicht zu entfernen, sie mit
meinen Blicken auf ihrem letzten Weg begleitete.
[V-3]
Eine
Gruppe von Männern, die die Selektion erwarten.
.
[V-4]
Eine
andere Gruppe von Männern, die die Selektion
erwarten. Als sie merken, daß sie fotografiert
werden, schauen sie direkt in den Apparat.
[V-5]
In
diesem Teil der Kolonne, die sich auf die
Selektionskommission zubewegt, sind einige, die
keine Chance haben, zur Arbeit zugelassen zu
werden. Sie werden herausgeholt und in die
Gaskammern geschickt werden. Zum Beispiel der
Junge in der ersten Reihe (die zweite Person von
links), wahrscheinlich hat er keine Mutter, und
sein Vater hat ihn mit sich in die Kolonne
genommen in der Hoffnung, daß es ihm gelingen
wird, ihn durchzubringen. Er hat jedoch keinerlei
Chance. Er wird --mit Sicherheit-- aus der Reihe
herausgerissen und zum Krematorium geschickt
werden.
Das gleiche
Schicksal erwartet --wie viele andere-- auch die
beiden alten Männer aus der Mitte der Gruppe, die
sich auf Stöcke stützen.
[V-6]
Die
Großväter und Großmütter, die Invaliden, die
Kranken, die sich nicht mehr auf den Beinen halten
konnten, sind ebenfalls in einer Gruppe vor den
Wagen und warten auf die Lastwagen, die sie
abholen werden.
Die Lastwagen
werden kommen, werden sie holen, aber nicht, um
sie in ein Familienlager sondern um sie direkt in
die Gaskammern zu bringen.
.
VI.
Die Große Selektion
[VI-1]
Schließlich
haben die Gruppen von Männern und Jungen über 14
Jahren auf der einen Seite der Rampe und die
Frauen, Mütter und Kinder unter 14 Jahren auf der
anderen Seite zwei getrennte Kolonnen gebildet.
Vor jeder der
beiden Kolonnen versammeln sich die SS-Leute der
Kommission.
„Die Große
Selektion”um Leben oder Tod muß jeden Augenblick
beginnen.
[VI-2]
Jedes Mal beginnt
die Selektion mit der Kolonne, die aus Frauen,
Müttern und Kindern besteht. Jüngere Frauen, ohne
Kinder auf dem Arm, werden aus der Reihe geholt
und zu einer Stelle gebracht, an der diejenigen
versammelt werden, die als arbeitsfähig gelten.
Der Rest, der Großteil der Kolonne, geht fast ohne
Halt zu den Gaskammern. Sieht der Chef der
SS-Kommission eine jüngere Frau, die ein Baby im
Arm hält (wie im Foto zu sehen), nähert er sich
ihr und sagt ihr fast höflich:
„Meine
Dame, ich sehe neben Ihnen eine ältere Frau, die
die Großmutter oder Tante des Kindes sein
könnte. Geben Sie ihr das Kind, treten Sie aus
der Kolonne heraus und gehen Sie hinüber zur
Gruppe derjenigen, die zu Fuß gehen werden."
Einige
waren einverstanden und folgten, retteten so
--ohne sich dessen bewusst zu sein--
provisorisch ihr Leben. Andere drückten ihr
Kind an die Brust und brachen in oft
hysterisches Weinen und Schreien aus:
„Ich
gebe mein Baby nicht her, es gehört mir, eher
sterbe ich, als mich von ihm zu trennen.”
„Meine
Dame, verursachen Sie hier keine Panik",
antwortet der SS-Mann ruhig. „Ich habe es
Ihnen nicht befohlen, ich habe es Ihnen nur
vorgeschlagen. Wenn Sie nicht wollen, bitte
sehr, gehen Sie weiter." Und die Frau, froh
darüber, drückte mit einer Hand das Kind an die
Brust, wischte sich mit der anderen die Tränen ab
und ging erfreut weiter … auf die Gaskammern zu,
von der sie nur noch 500-600 Meter trennten.
[VI-3]
Die
Selektion verläuft in aller Ordnung. Die SS-Leute
sind ruhig, und ihre „honigsüßen" Worte verbergen
ihre Niederträchtigkeit.
Niemandem,
absolut niemandem aus der Kolonne, die ihren Weg
fortsetzt, kommt es in den Sinn, daß er sich mit
jedem Schritt dem unerbittlichen Ende nähert, von
dem ihn jetzt weniger als 500 Meter trennen.
[VI-4]
Die
Selektion in der Kolonne der Frauen, Mütter und
Kinder ist fast beendet. Ein paar Minuten später
wird sich die Kolonne der Männer und Jungen über
14 Jahren in Bewegung setzen.
[VI-5]
Die
Selektion der Erwachsenen und arbeitsfähigen
Männer hat begonnen.
[VI-6]
Eine
Gruppe von Erwachsenen und Männern, zur
Sklavenarbeit ausgewählt.
VII.
Gruppe von Frauen, zur Arbeit ausgewählt
[VII-1]
In
den Gesichtern und Augen dieser zur Arbeit
ausgewählten Frauen kann man nur Sorge, Unruhe und
Furcht erkennen.
Sie scheinen sich
zu fragen:
„Wann werden wir wohl die
wieder sehen, von denen wir getrennt wurden?”
[VII-2]
Die
zur Arbeit ausgewählten Frauen sind zum
Frauenlager aufgebrochen.
VIII.
Zur Gaskammer
[VIII-1]
Mütter
--unter ihnen eine Großmutter-- einige mit Kindern
auf dem Arm, andere mit Kindern an der Hand, gehen
entlang den Schienen zur Gaskammer.
Ihren
Blicken könnte man entnehmen, daß sie an alles
andere denken als an den Tod.
[VIII-2]
Zwei
Mütter --eine mit einem kleinen Baby auf dem Arm,
umgeben von weiteren sieben Kindern -- gehen ihren
letzten Gang.
Es ist geradezu
überwältigend, die drei Jungen in der ersten Reihe
anzusehen. Der mittlere --nicht älter als 4 oder
5-- hält seine beiden jüngeren Brüder fest an der
Hand, damit sie ja nicht verloren gehen auf ihrem
Weg zu …? Wohin? In den Tod! Es ist unglaublich …
und doch ist es die bittere Wahrheit.
[VIII-3]
Dies
ist das am meisten verbreitete, das bekannteste
Foto. Es ist zum „Symbol" für das Zurücklegen des
Weges --entlang den Schienen-- von der Todesrampe
zu den Gaskammern geworden. Des Weges, den über
eine Million Juden gegangen sind, die meisten
davon Mütter mit Kindern bis zu 14 Jahren, Alte
und Kranke.
.
IX.
Die letzte Rast
Es
folgen vier Bilder, die endlich einen Beginn der
Rückkehr zur Normalität auszustrahlen scheinen.
Die Mütter scheinen ruhiger, sie blicken die
Kinder an, ohne daß ihre Augen Furcht ausdrücken.
Und doch … die
folgenden Bilder geben eine erschütternde Sequenz
wieder, sie stellen den dramatischsten Augenblick
des ganzen Leidensweges dar.
Den Müttern, die
Sie betrachten, wurde gesagt, daß sie nicht mehr
weit zu gehen hätten, da sie jedoch müde schienen
und da sie gerade in einer Waldlichtung angekommen
seien, würden sie eine kurze Pause machen. Als die
Kinder dann die Bäume ringsum sahen und Brunnen
entdeckten, sind sie losgestürzt, um endlich
Wasser zu trinken, soviel sie wollten. Einige
haben noch Brotreste in den Taschen gefunden und
sich schnell in den Mund zu gestopft. Die Mütter
sehen die Kleinen entspannt an; einigen kommt
wieder ein Lächeln auf die Lippen.
Keine von ihnen
ahnte die grausame Wahrheit. Der Vorhang aus
Bäumen, über dessen Schatten sie sich freuten, war
in der Absicht gepflanzt worden, das Gebäude zu
verbergen, in dem die Gaskammern und Öfen
untergebracht waren. Bis dahin sind es nur noch
100 Schritte.
Die ungeheuer
grausame Erklärung ist folgende: Trotz aller
preußischen Genauigkeit, hat der
Vernichtungsvorgang dieses Mal einen kleinen
Fehler in der Abstimmung erfahren. Die vorherige
Gruppe war noch nicht vollständig in Rauch und
Asche verwandelt worden. Oder das war zwar
geschehen, aber der Auskleideraum und die
Gaskammern waren noch nicht gelüftet worden.
Jedenfalls müssen die Neuankömmlinge noch ein paar
Minuten warten, vielleicht sogar ein
Viertelstündchen. Danach werden sie die 90-100
Meter zurücklegen und in den Tod gehen.
.
[IX-1]
Den
menschlichen Wesen, die Sie hier im Bild sehen
(Kinder, vor allem Kinder, wie auf die Erde
gekommene Engel, Mütter, die ihre Kinder mehr als
alles lieben, gottesfürchtige Alte), wurde nur
eine einzige Schuld vorgeworfen, nämlich daß sie
als Juden geboren wurden, und deswegen wurden sie
erniedrigt und belogen, wie kein anderer je zuvor.
Sie
wurden mit unvorstellbarem Zynismus erniedrigt und
belogen, einem Zynismus, der jede Barbarei, jede
Bestialität übersteigt.
Diesen
reinen und unschuldigen menschlichen Wesen wurde
von angeblichen „Übermenschen" gesagt, sie sollten
sich in dieser Lichtung ein bißchen ausruhen,
bevor sie in dem versprochenen Familienlager
ankommen.
In
Wirklichkeit war es für alle, die Sie im Bild
sehen, die „letzte Rast im Leben". Einige Dutzend
Meter jenseits des Vorhangs aus Bäumen erwartete
sie das Krematorium, die offene Tür des
Auskleideraumes, die gelüftete Gaskammer mit einem
Fassungsvermögen von 2000 Personen; das Feuer in
den 15 gemauerten Öfen im Obergeschoß, oberhalb
der Gaskammer, war nicht gelöscht worden, um mit
dem erneuten Anzünden keine Zeit zu verlieren.
[IX-2]
Die
in der ersten Reihe haben bemerkt, daß sie
fotografiert werden und schauen ruhig und
natürlich zum Fotografen.
Die
in den hinteren Reihen setzen --ziemlich
entspannt, so scheint es-- ihr Gespräch fort.
Vielleicht erzählen sie sich, daß sie das
Schlimmste hinter sich haben.
Die
erschütternde Wahrheit: Alle, die Sie betrachten,
sind nach sehr kurzer Zeit aufgestanden, haben die
Baumreihe im Hintergrund durchschritten, sind ins
Gebäude eingetreten, wurden in die Gaskammer
gestoßen, und dann wurden ihre Körper in Rauch und
Asche verwandelt.
[IX-3]
Die
Kinder warten ruhig. Wissen auch sie nicht,
worauf?
Jedenfalls können
sie jetzt die frische Luft atmen, sich hinsetzen,
stehen, wenn sie wollen, sogar spazierengehen.
Auch die Mütter
sind wieder ruhig. Den beiden auf der rechten
Seite ist --ein wahres Wunder!-- das Lächeln auf
die Lippen zurückgekehrt. Sicher zum letzten Mal!
Nach wenigen
Minuten werden sie, nackt ausgezogen, in den
Gaskammern ihre Kinder hochhalten, zur Decke hin,
um ihr Leben um ein paar Sekunden zu verlängern.
[IX-4]
Wer
kann diesen Kindern etwas vorwerfen?
Wer
wagt es, sich dem Gedenken an sie zu widersetzen?
X.
Das Sortieren des geraubten Gepäcks
Während
zwei Drittel der Eigentümer der in den Wagen
zurückgelassenen Gepäckstücke „ausgesondert", in
die Gaskammern gestoßen und in Öfen verbrannt
wurden, die anderen ins Lager gebracht wurden, um
mit anderen Methoden umgebracht zu werden
--Sklavenarbeit, Hunger, Krankheiten, Experimente
an lebendigen Menschen, Hinrichtungen etc.--
setzten die Häftlinge des Kanada-Kommandos die
Sortierung der Güter fort, die aus den Wagen
geholt und anschließend nach Kategorien --Schuhe,
Bettwäsche, Männerkleidung, Uhren, Schmuck etc.--
in den 30 Lagerhallen in der Nähe der Todesrampe
deponiert wurden, um später nach Deutschland
geschickt zu werden.
X.
...Und der Zyklus des Todes Setzt Fort
Sechs
Stunden sind vergangen, seit die Gruppe von
Deportierten, die mit dem letzten Zug in
Birkenau-Auschwitz angekommen ist, die
„Todesrampe" verlassen hat … Und jetzt wird
erwartet, daß gleich ein neuer Zug hält mit 3000
unschuldigen Juden, zur Ausrottung bestimmt.
… Und dieser
Zyklus ging weiter, Tag und Nacht, ohne
Unterbrechung, den ganzen Frühling und Sommer des
Jahres 1944.